Sonntag, 27. Oktober 2013

Fössebad darf nicht sterben

Foto: Fössebad
Am 21. Oktober war es so weit: Der erste Teil des mehr als überfälligen Bäderkonzeptes für die Landeshauptstadt Hannover wurde im Sportausschuss vorgestellt. Erstaunlicherweise wurde Vorstellung nicht in der Online-Version der Tagesordnung angekündigt sondern nur in der gedruckten Fassung (die nur die Mitglieder des Ausschusses erhalten). Mein erster Eindruck: die vorgelegte Analyse liest sich wie ein bezahlter Auftragsmord.

Nach den ersten beiden Teilen der Analyse ist eher mit einer Verschlechterung des Bäderangebotes in Hannover zu rechnen. Und wer solche Drucksachen zu lesen versteht erkennt schnell: Das Fössebad ist einer der ersten Kandidaten für eine Schließung. 

Was wir jetzt dringend brauchen ist der Bürgerwille und ein politischer Entschluss, das Fössebad zu erhalten, die Bäderszene in Hannover zu verbessern und nicht Bäder zu schließen. 

Fössebad, Hannover
Fössebad, Hannover (Photo credit: Wikipedia)

Linden-Limmer bangt um sein Bad 

Das Fössebad ist ein Traditionsbad mit 120-jähriger Geschichte. In den 1960er Jahren war es in Deutschland das erste kombinierte Hallen- und Freibad. Der Sanierungsbedarf des Fössebades ist groß. Seit 2012 ist das Freibadbecken gesperrt, weil es nicht mehr den gestiegenen technischen Anforderungen genügt. Der Hallenbadbereich steht den Bürgerinnen und Bürgern aber nach wie vor zur Verfügung. 

Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass das Fössebad dringend saniert und weiter entwickelt werden muss. Der Betreiber das Bades – die gemeinnützige Fössebadbetriebs GmbH – wurde aktiv, aber auch der Bezirksrat Linden-Limmer engagierte sich – meist überparteilich – für den Erhalt des Bades. In der Zeit entstand auch der Begriff "FösseFREIbad" als Ausdruck, dass sowohl der Hallenbad- wie auch der Freibadbereich für den Stadtbezirk erhalten bleiben sollen. 

Bädermord auf Raten 

Aber alle Initiativen und Bemühungen wurden abgeblockt mit dem Hinweis auf ein stadtweites Bäderkonzept. Die Erstellung dieses Bäderkonzeptes war bereits 2006(!) als politischer Auftrag an die Verwaltung der Stadt Hannover gerichtet worden. Seit dem wurde jeder Versuch eine Modernisierung des Bades zu starten mit dem Hinweis auf dieses ausstehende Konzept systematisch verhindert. Dieses geheimnisvolle Bäderkonzept ist bis heute eine Baustelle. Aber als dunkle Vorboten wurden am 21.10.13 im Sportausschuss immerhin die ersten beiden Teile einer Analyse vorgestellt. 

Was wirklich in der "Bäderanalyse Hannover" drinsteht 

Auf über 160 Seiten zusammengefasst werden die ersten beiden Analyseteile vorgestellt. Eine Zahlenflut, die die Bäder auffällig auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen reduziert. Die dazugehörende Informationsdrucksache des Rates übernimmt unkritisch diese Sichtweise. Damit signalisiert die Verwaltung klipp und klar: sie will Schließungen und Kürzungen. 

Ein "wirtschaftlich tragbares" Bäderkonzept 

Schon die Formulierung führt in die Irre: Aufgabe kommunaler Bäder ist nicht Gewinne zu erwirtschaften sondern ein niedrigschwelliges Angebot zur Erholung und Gesundheitsvorsorge zu bieten. Hinzu kommen soziale Aspekte. 

Sanierungsstau und Besucherrückgang 

Die Analyse drückt sich, den Urheber des Sanierungsstaus zu benennen: Es ist die Stadt selbst, die die Bäder zugrunde spart. Schwindende Attraktivität oder gar der Wegfall des Freibadbereiches wie beim Fössebad sind aber die zwangsläufigen Folgen dieses Sparwillens. Und ziehen logischerweise einen Besucherrückgang nach sich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. 

Anfahrtwege und Bäderkonzentration 

Bis zu 15 Minuten Fahrt würden Bürger auf sich nehmen um ein Sportbad zu erreichen, bis zu 20 Minuten Fahrzeit dürfen es für ein Freibad sein. Wenn die Stadt den Autoverkehr ankurbeln will: Wohl dem, der ein Auto hat! Sodann stellt die Analyse fest, dass in Hannover 99,2 % der Bevölkerung ein Hallenbad und 91 % ein Freibad erreichen – in den vermeintlich akzeptierten Auto-Fahrzeiten. 

Und es gäbe sogar Überschneidungen und überhaupt seien im Westen der Stadt 71 % der Bäder aber nur 67 % der Bevölkerung. Außerdem gäbe es in der Region ja auch noch ein dichtes Netz an Bädern, die für einige Hannoveraner schneller zu erreichen seien als innerstädtische. Will Hannover seine Einwohner ins Umland treiben? 

Schulen und Sportvereine 

Die Sportvereine seien eigentlich sogar überversorgt, die Nachfrage der Schulen wäre gedeckt. Jedenfalls solange wie bisher nicht mal die Hälfte der Schüler Schwimmunterricht bekommt. Aber dann kann man ja einfach die Belegzeiten erhöhen. Komischerweise habe ich da aus Verteilungs-Diskussionen im Bezirksrat noch ganz andere Situationen in Erinnerung. 

Versorgung mit Schwimmflächen 

Der “Versorgung mit Wasserflächen” der Hannoveraner läge über dem Bundesdurchschnitt: je 1000 HannoveranerInnen sind das 11m2 im Hallenbad (andernorts 9m2) und 27m2 im Freibad (andernorts 20m2). Da höre ich die Sparwütigen schon rufen: Hannover ist überversorgt. Aber in Wirklichkeit ist das nur ein Vergleich mit dem Durchschnitt in anderen Städten. Das sagt noch lange nichts darüber aus, ob die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich bedarfsgerecht Schwimmmöglichkeiten zur Verfügung haben, ob ihnen das reicht und sie damit zufrieden sind. 

Sanierungsrückstand 

Der Sanierungsbedarf des Fössebades beträgt etwas über 7 Mio. € und liegt damit bei 47,4 % der Neubauherstellungskosten von 15,52 Mio. €. Dabei übersteigen die Sanierungskosten um 2 Mio. € den wirtschaftlichen Wert des Hallenbades. Im Klartext: Neubau ist günstiger als Sanieren. Aber wird die Stadt neu bauen? Weil doch Alternativen in “zumutbarer” Entfernung zur Verfügung stehen? 

Wenn Linden-Limmer nicht “Baden gehen” will 

Der Tenor der Analyse ist nur allzu durchsichtig. Die Absicht, das Fössebad über die Klinge springen zu lassen ist offensichtlich: Immer weniger Menschen gehen schwimmen, Hannover ist eigentlich schon überversorgt, Alternativen sind in zumutbarer Reichweite, Sanieren ist unwirtschaftlich, für einen Neubau fehlt eigentlich der Bedarf und außerdem hat die Stadt kein Geld. Das Bäderangebot muss konzentriert werden. 

Ihnen kommt die Argumentation bekannt vor? Genau, bei der Bibliothek in Linden-Nord lief das Verfahren so ähnlich ab. Jetzt braucht es eigentlich nur noch eines kleinen äußeren Anstoßes und schon schnappt die Falle zu. Bei der Bibliothek war es damals eines der so genannten Haushaltskonsolidierungskonzepte, die der Stadt im Wesentlichen von der Kommunalaufsicht aufgezwungen werden. 

Auch der Kampf um das Fössebad ist nicht neu. Aufgrund der über Jahre immer wieder aufgeschobenen Sanierungsarbeiten in den 1980er Jahren sollte das Bad schon damals geschlossen werden. Es waren die Bürgerinnen und Bürger Lindens, die das mit ihren Protesten verhinderten und endlich 1993 die Trägerschaft des Bades von der Stadt übernehmen konnten. 

Wer nicht bald auf dem Trockenen sitzen will, muss jetzt aktiv werden 

Liebe Leute in Linden und Limmer: helft dem FösseFREIbad, werdet aktiv. Wer noch nicht da war: Entdeckt das Fössebad, geht schwimmen. Schwimmt aus Solidarität. Zweitens hat das Fössebad einen Förderverein. 

Vielleicht noch wichtiger ist: Steigt uns Politikern aufs Dach. Macht klar, das Linden-Limmer sich nicht noch eine Institution wegnehmen lassen will.



Update: Die Diskussion um die Bäder in Hannover beginnt

Inzwischen haben wir eine Veranstaltung organisiert, um mit den Akteuren und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Hier gibt es Informationen zur Veranstaltung und ein erstes Statement für ein künftiges Bäderkonzept.
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